Elternbrief des Kultusministers vom 15. März 2022
Sehr geehrte Eltern,
sehr geehrte Erziehungsberechtigte,die Corona-Krise ist noch nicht bewältigt, da stehen schon neue Herausforderungen vor der Tür, die in erheblichem Maße Auswirkungen auf das Bildungssystem haben können.
Ich möchte in diesem Schreiben deshalb auf beide Themenblöcke eingehen – auf das weitere Vorgehen i. S. Pandemie und auf den Umgang mit geflüchteten Kindern und Jugendlichen aus der Ukraine. Mir ist sehr bewusst, welche Problematik gerade die Gleichzeitigkeit dieser Herausforderungen mit sich bringt, und werde mein Möglichstes tun, um die Schulen gut zu unterstützen.
Mit der Neuregelung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) auf Bundesebene entfällt ab der kommenden Woche ein Großteil der aktuellen Einschränkungen und Schutzmaßnahmen. Aus meiner Sicht kommt dieser Schritt deutlich zu früh, ich habe wenig Verständnis für die Begrenzung des Instrumentenkoffers zum jetzigen Zeitpunkt und hätte mir hier deutlich mehr Möglichkeiten gewünscht. Denn – bei allem nachvollziehbarem Wunsch nach Lockerungen – die Pandemie ist noch nicht vorbei. In Niedersachsen werden wir von der Möglichkeit einer Übergangsregelung Gebrauch machen. Das bedeutet, dass unser Exit-Plan bis zu den Osterferien seine Gültigkeit behält und wir bis zum 02.04.2022 wie angekündigt vorgehen.
Anschließend werden wir weitgehend mit freiwilligen Maßnahmen und Empfehlungen arbeiten müssen, etwas anderes lässt das IfSG leider nicht zu. Bedauerlicherweise trifft das insbesondere auf das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung zu. Diese Maßnahme wird von Fachleuten als besonders effektiver Schutz vor Infektionen angesehen. Wir empfehlen deshalb – vor allem für die Zeit direkt nach den Osterferien -, im Sek I- und Sek II-Bereich auch weiterhin Masken zu tragen. Direkt nach den Ferien testen sich alle Schülerinnen und Schüler täglich. Wir gehen davon aus, dass diese Planung umgesetzt werden kann. Im Anhang finden Sie eine geänderte Fassung unseres Exit-Plans, die den aktuellen Stand der Planungen enthält. Für die Zeit nach den Osterferien gilt er wiederum unter Vorbehalt, da die Laufzeit der nächsten Landesverordnung sehr kurz ist (bis 02.04.2022) und sich ggf. weitere Änderungen ergeben, die jetzt noch nicht absehbar sind.
Die endgültigen Regelungen ab dem 20.04.2022 werden wir den Schulen erst in der zweiten Ferienwoche mitteilen können und bitten dafür um Verständnis.
Ab dem kommenden Montag sind gemäß Exit-Plan u. a. erste vorsichtige Leichterungen bzgl. des Tragens einer MNB im Primarbereich vorgesehen. Kinder der Schuljahrgänge 1-4 dürfen ihre Maske abnehmen, wenn sie ihren Sitzplatz eingenommen haben. Wir bleiben damit immer noch deutlich strenger als in fast allen anderen gesellschaftlichen Bereichen, zumal bei einem Infektionsfall in der Lerngruppe gilt, dass alle für eine Woche die Maske auch am Sitzplatz wieder aufsetzen. Dadurch dass auch das ABIT (Anlassbezogenes intensiviertes Testen) weiter gilt, sind die Klassen-kameradinnen und Klassenkameraden des Indexfalls auch keine K1-Personen und müssen sich nicht in Absonderung begeben (Test-to-Stay- Strategie).
Für den Primarbereich ist das Thema Sprachbildung ein besonders wichtiges, deshalb sind vor allem die Einschränkungen, die diesen Bereich betreffen, nur so lange und in dem Umfang aufrechtzuerhalten, wie es unbedingt erforderlich ist. Das OVG Lüneburg hat zudem darauf hingewiesen, dass es das Tragen einer Maske im Primarbereich nur so lange als verhältnismäßig zulässt, wie eine Überlastung des Gesundheitssystems droht. Wir werden deshalb an der vorgesehenen Lockerung für den Primarbereich festhalten und sie wie geplant ab dem 21.03.2022 umsetzen. Es steht selbstverständlich jedem frei, die Maske auch am Sitzplatz weiterhin freiwillig zu tragen.
Ich komme nun zu einem weiteren Thema, das nicht nur Schulen aktuell umtreibt. Der verheerende Angriffskrieg des russischen Präsidenten Wladimir Putin auf die Ukraine bestimmt das Weltgeschehen. Städte werden ausgebombt, befinden sich unter Raketenbeschuss und werden von Panzern umzingelt – vor drei Wochen noch wären solche Bilder mitten in Europa undenkbar gewesen. Nun sind sie bittere Realität. Zu dieser Realität gehört, dass bereits mehr als drei Millionen Menschen aus dem Kriegsgebiet geflüchtet sind, zumeist Mütter mit ihren Kindern.
Die europäischen Nachbarländer und die gesamte EU haben sich solidarisch mit der Ukraine erklärt und nehmen geflüchtete Menschen hilfsbereit auf. Auch in Deutschland und in Niedersachsen kommen immer mehr Mütter mit ihren Kindern an und werden erstversorgt. Anders als bei der Flüchtlingsaufnahme 2015/2016 verläuft die Ankunft zumeist dezentral, individuell mit PKW, Bahn und Bus, oftmals direkt zu Verwandten und Bekannten. Dieser schnelle und direkte Zugang ist angesichts der schrecklichen Lage absolut richtig, gleichwohl führt er dazu, dass wir keinen exakten Überblick über das Zuzugsgeschehen haben. Die Dynamik und die Dramatik der Entwicklung lassen zudem keine belastbaren Prognosen zu.
Klar und in ersten Ansätzen spürbar ist, dass auch an unseren Schulen nach und nach Kinder und Jugendliche aus dem ukrainischen Kriegsgebiet aufgenommen werden.
Um die Situation zu meistern, müssen gegebenenfalls auch neue Wege abseits der bekannten Pfade beschritten werden. Dabei gilt: Nicht Unmögliches soll möglich gemacht werden, aber das Mögliche soll erfolgen. Die Bewältigung dieser Herausforderung wird eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sein, bei der jede und jeder Einzelne gefragt ist. Hier sind Solidarität und soziales Engagement gefragt, aber eben auch Nachsicht und Toleranz, wenn sich Abläufe erst einspielen müssen und Dinge nicht so laufen wie gewünscht. Denn eins dürfen wir weder vergessen noch kleinreden: Nach zwei Jahren Pandemie ist das System Schule an der Belastungsgrenze und darüber hinaus angekommen.
Ich freue mich über jedes sichtbare Zeichen der Solidarität und des Zusammenhalts aus den Schulen Niedersachsens, über die Bereitschaft der Schulgemeinschaften, sich auch dieser Herausforderung zu stellen und zu helfen und zu unterstützen, wo immer es geht. Vielen herzlichen Dank an alle, die sich hier engagieren, die unterstützen und Verständnis dafür haben, das manches nicht von jetzt auf gleich zu lösen ist. Ihnen und Ihren Familien alles Gute!
Mit freundlichen Grüßen
Grant Hendrik Tonne
Niedersächsischer Kultusminister