Schüler unserer Region interviewen Astronaut Maurer per Funk
BRAUNSCHWEIG. 20 Jugendliche aus Braunschweig und den Kreisen Gifhorn und Wolfenbüttel bekommen verblüffende Antworten direkt aus dem All.
Der Countdown läuft: In wenigen Minuten dürfen 20 Schülerinnen und Schüler aus unserer Region direkt mit dem deutschen Astronauten Matthias Maurer funken, während der in der Raumstation ISS mit 28.000 Kilometern pro Stunde über sie hinwegfliegt. Das DLR_School_Lab in Braunschweig macht es möglich. Und die Spannung wächst: „Ich konnte letzte Nacht gar nicht schlafen vor Aufregung“, sagt die 13-jährige Nele Müntz.
An diesem Freitagnachmittag sitzt die Schülerin aus der 8b der Realschule Calberlah im Kreis Gifhorn zusammen mit drei Mitschülern und einem Backup in der „Nerd-Höhle“, wie Lehrer Steffen Jauch den Technikraum im Erdgeschoss nennt. Genauso sitzen je vier Mädchen und Jungen vom Hoffmann-von Fallersleben-Gymnasium, der IGS Frantzsches Feld und des Wilhelm-Gymnasiums (alle in Braunschweig) sowie des Gymnasiums Große Schule in Wolfenbüttel vor ihren Computern und Webcams. Die Schulen sind via Videokonferenz miteinander und mit dem DLR_School_Lab verbunden.
Funkamateure vor Ort leisten Unterstützung
Das dortige Funkteam, bestehend aus Stefan Lobas und Nils-Holger Siegmund, baut direkt aus Braunschweig eine Amateurfunkverbindung zur ISS in 400 Kilometern Höhe auf. Und zwar mit Unterstützung von Funkamateuren vor Ort und der Gruppe „Amateur Radio on the International Space Station“, die weltweit Schul-Funkkontakte zur ISS vermittelt. Gegen 14.50 Uhr ist es soweit, als die Raumstation von Westen über Frankreich in Reichweite ist. Dann muss es schnell gehen: Nur etwa acht Minuten haben die Schüler Zeit, ihre Fragen an Maurer im europäischen Columbus-Modul der ISS zustellen, bis die Raumstation im Osten wieder im undefinierten Rauschen verschwindet.
Maurer freut sich schon auf Eis und Pizza
Den Start macht der zwölfjährige Niklas vom Hoffmann-Gymnasium: „Wird die ISS zu Geburtstagen oder Weihnachten dekoriert?“ Die Frage findet der Mann im All „lustig“, aber er wisse es noch gar nicht. Immer klarer ist Maurer zu verstehen, je näher er Braunschweig kommt. Yasmin Bechtel (13) möchte vom Astronauten wissen, was er als Erstes tun wolle, wenn er wieder auf der Erde ist. Maurer: „Ich werde erst einmal eine Dusche nehmen. Dann freue ich mich auf ein Eis und eine Pizza.“ Die Schüler am Boden erfahren auch, dass normale Handys im All nicht funktionieren, dass Maurer schwebend bestens schlafen kann, lauter „coole Experimente“ macht, die Mission beinahe nach drei Tagen beendet gewesen wäre, die Fensterscheiben Spuren von Teilchen im All haben, die ISS keine Waschmaschine hat und dass der Müll über Bord geworfen wird, um in der Atmosphäre zu verglühen – „das ist eine moderne Art der Müllverbrennung“.
Der Nasa gefällt Frage aus Calberlah nicht
Jennifer Fritzsches (13) Frage ist eine besondere: „Ihre Mission heißt Cosmic Kiss. Haben Sie Ihre kosmische Liebe schon gefunden?“ Diese Frage war der amerikanischen Weltraumorganisation Nasa im Vorfeld zu persönlich beantwortbar und genehmigte sie nicht. „Die Nasa hat sie über Nacht geändert“, sagt Lehrer Jauch, „persönliche und medizinische Fragen an Astronauten sind nicht erlaubt.“
Nun geht es um eine „Liebeserklärung an den Weltraum“. Jennifer findet das okay, weil die Frage inhaltlich fast identisch ist. Sie fühlt sich gar ein wenig geehrt: „Wann ändert dir die Nasa schon mal eine Frage?“ Und der Astronaut antwortet, dass er es liebe, mit Menschen aus der ganzen Welt im All zu arbeiten: „Wir können hier als ganze Menschheit forschen.“
Nach acht Minuten ist das Interview schon vorbei
Die Zeit ist viel zu schnell vorbei. Kurz bevor die ISS mit einem Dauerrauschen im Weltraum verschwindet, kann Maurer noch einen Gruß nach Braunschweig schicken: „Das war supertoll! Das hat mir Freude gemacht. Ich wünsche euch ein schönes Wochenende!“ Die Schüler bleiben begeistert zurück. „Der kam ja sehr nett ‘rüber“, findet Yasmin Bechtel. „Die Antworten waren sehr konkret“, sagt Conner Kuechler (13). „Ich fand gut, dass fast alle dran gekommen sind“, so Jennifer Fritzsche. Denn 19 von 20 Fragen waren am Ende abgehakt. Dafür gab es Lob von Frank Fischer, dem Leiter des DLR_School_Labs via Youtube-Livestream an alle Teilnehmer: „Das ist euer Erfolg! Eure Perfektion, euer Timing, das hat uns ganz umgehauen.“
aus Gifhorner Rundschau vom 10. Dezember 2021
Photo: © NASA/ESA-M.Maurer 2022